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Mary Poppins

Ïðåäûäóùàÿ ñòðàíèöà Ñëåäóþùàÿ ñòðàíèöà
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die rechte Schulter und Michael aufs Vorderteil. Auch ihre Dreier
saßen fest.
»Wie sonderbar!« sagte Jane.
»Gar nicht, meine Liebe«, kicherte Mistreß Corry. »Vielmehr
nicht so sonderbar wie manches, was ich erzählen könnte.« Und
sie machte eine weit ausladende Handbewegung zu Mary Poppins
hin.
»Ich fürchte, wir müssen jetzt gehen, Mistreß Corry«, sagte
diese. »Es gibt heute gebrannte Eierkrem zum Mittagessen, und
ich muß zeitig daheim sein, um sie zu machen. Diese Mistreß
Brill —«
»Eine armselige Köchin?« fragte Mistreß Corry teilnehmend.
»Armselig?« sagte Mary Poppins geringschätzig. »Das ist gar
kein Ausdruck dafür.«
»Ach so!« Und Mistreß Corry rieb sich mit dem Finger die Nase
und machte ein verständnisvolles Gesicht. Dann sagte sie: »Nun,
meine liebe Miß Poppins, das war ein sehr angenehmer Besuch,
und meine beiden Mädel haben sich gewiß nicht weniger gefreut
als ich.« Sie nickten ihren beiden großen, traurigen Töchtern zu.
»Und Sie kommen doch recht bald wieder, nicht wahr, mit Jane
und Michael und den Kleinen? — Könnt ihr die Pfefferkuchen
denn auch tragen?« fügte sie, sich an Jane und Michael wendend,
hinzu.
Sie nickten, Mistreß Corry kam näher und warf ihnen einen
sonderbar bedeutsamen und fragenden Blick zu.
»Ich möchte wohl wissen, was ihr mit den Papiersternen macht«,
sagte sie träumerisch.
»Oh, die werden wir aufheben«, antwortete Jane. »Das tun wir
immer.«
»Ach — ihr hebt sie auf! Aber ich wüßte gern, wo.«
»Nun«, gestand Jane, »meine liegen alle unter den Taschentüchern
in der oberen linken Schublade —«
»Und meine in einer Schuhschachtel im obersten Fach des
Kleiderschranks«, sagte Michael.
»Obere linke Schublade und Schuhschachtel im Kleiderschrank«,
wiederholte Mistreß Corry nachdenklich, als ob sie sich die Worte
einprägen wollte. Dann blickte sie Mary Poppins ein Weilchen an
und nickte leicht mit dem Kopf. Mary Poppins nickte leicht zurück.
Es war, als teilten sie miteinander ein Geheimnis.
»Nun«, sagte Mistreß Corry vergnügt, »das ist ja sehr interessant.
Ihr glaubt nicht, wie froh ich bin, weil ich nun weiß, wo
ihr eure Sterne aufhebt. Ich werde es nicht vergessen. Ihr wißt,
ich kann mich an alles erinnern — sogar daran, was Guy Fawkes
jeden zweiten Sonntag zum Abendbrot bekam. Und nun, auf
Wiedersehen. Kommt bald, bald wie-ie-ie-der!«
Mistreß Corrys Stimme schien immer schwächer zu werden und
dahinzuschwinden, und plötzlich, ohne daß Jane und Michael
merkten, wie es geschah, fanden sie sich auf die Straße zurückversetzt,
wo sie hinter Mary Poppins herzottelten, die soeben
wieder ihre Liste nachprüfte.
Sie drehten sich um und blickten zurück.
»Na, so was, Jane, er ist nicht mehr da!« entfuhr es Michael
überrascht.
»Ich such ihn auch«, sagte Jane und schaute und schaute.
Und sie hatten recht. Der Laden war verschwunden.
»Wie sonderbar!« sagte Jane.
»Find ich auch!« sagte Michael. »Aber die Pfefferkuchen
schmecken gut.«
Sie waren damit beschäftigt, ihren Pfefferkuchen durch Beknabbern
eine immer neue Gestalt zu geben — die eines Mannes,
einer Blume, einer Teekanne — daß sie dabei völlig vergaßen,
w i e sonderbar das Ganze war.
In der Nacht jedoch, als die Lichter gelöscht waren und man
annehmen mußte, daß sie schon schliefen, fiel es ihnen wieder
ein.
»Jane, Jane!« flüsterte Michael. »Ich höre jemand auf der
Treppe herumschleichen — horch!«
»Pst!« machte Jane aus ihrem Bett, denn auch sie hatte das
Schleichen gehört.
Auf einmal ging mit leisem Knacken die Tür auf und jemand
huschte ins Zimmer. Es war Mary Poppins, in Hut und Mantel,
fertig zum Ausgehen.
Rasch und heimlich bewegte sie sich durchs Zimmer.
Jane und Michael beobachteten sie unter den Augenlidern hervor
und rührten sich nicht.
Zuerst huschte sie zur Kommode, öffnete eine Schublade und
schloß sie gleich wieder. Dann schlich sie auf Zehenspitzen zum
Kleiderschrank und öffnete ihn. Sie beugte sich nieder und legte
etwas hinein oder nahm etwas heraus. Was von beiden sie tat,
vermochten die Kinder nicht zu erkennen. Schnapp! Die Tür
des Kleiderschrankes schloß sich, und Mary Poppins verließ das
Zimmer.
Michael setzte sich im Bett auf.
»Was hat sie gemacht?« flüsterte er Jane kaum vernehmlich zu.
»Keine Ahnung! Vielleicht hatte sie ihre Handschuhe vergessen
oder ihre Schuhe oder —« Jane unterbrach sich plötzlich. »Horch,
Michael!«
Er horchte. Von unten — vom Garten, wie es schien — konnten
sie mehrere Stimmen eifrig und aufgeregt miteinander flüstern
hören.
Mit einem Satz sprang Jane aus dem Bett und winkte Michael.
Sie schlichen auf bloßen Füßen ans Fenster, verbargen sich hinter
dem Vorhang und guckten hinunter.
Draußen auf der Straße standen drei Gestalten: zwergenhaft
klein die eine, die beiden anderen riesengroß.
»Mistreß Corry, Miß Fannie und Miß Annie!« flüsterte Jane.
So war es. Sie bildeten eine seltsame Gruppe. Mistreß Corry
spähte durch die Latten des Gartentores von Nummer 17, Miß
Fannie balancierte zwei lange Leitern auf ihrer mächtigen Schulter,
und Miß Annie trug in der einen Hand einen großen Eimer
mit etwas, das aussah wie Leim, und in der andern Hand einen
gewaltigen Malerpinsel.
Von ihrem Versteck hinter dem Vorhang aus konnten Jane und
Michael deutlich ihre Stimmen verstehen.
»Sie verspätet sich!« sagte Mistreß Corry soeben, mürrisch und
ärgerlich.
»Vielleicht«, meinte Miß Fannie schüchtern und rückte die
Leiter auf ihrer Schulter zurecht, »vielleicht ist eins der Kinder
krank geworden, und sie konnte nicht —«
»Zur rechten Zeit fortkommen«, vollendete Miß Annie aufgeregt
den Satz ihrer Schwester.
»Ruhe!« befahl Mistreß Corry voll Zorn, und Jane und Michael
hörten sie deutlich etwas flüstern, das wie »große, hirnlose Giraffen
« klang. Sie waren sich klar, daß sich das auf Mistreß Corrys
unglückliche Töchter bezog.
»Still!« sagte Mistreß Corry plötzlich. Sie horchte mit zur Seite
geneigtem Kopf wie ein kleiner Vogel.
Ein Geräusch kam von der Haustür, die sacht geöffnet und
wieder zugemacht wurde. Dann raschelten auf dem Kiesweg leise
Schritte. Mistreß Corry lächelte und winkte mit der Hand, als
Mary Poppins näher kam. Sie trug einen Marktkorb am Arm,
und darin lag etwas, von dem ein schwaches, geheimnisvolles
Leuchten auszugehen schien.
»Kommen Sie, wir müssen uns eilen! Wir haben nicht mehr viel
Zeit!« rief Mistreß Corry und nahm Mary Poppins am Arm.

»Schlaft nicht, ihr zwei!« Und sie ging voraus, gefolgt von
Miß Fannie und Miß Annie, die sichtlich bemüht waren, recht
lebhaft zu wirken, doch ohne viel Erfolg. Unter ihrer Last gebeugt
trampelten sie schwerfällig hinter ihrer Mutter und Mary
Poppins her.
Jane und Michael sahen, wie alle vier den Kirschbaumweg
hinuntergingen, sich dann ein wenig nach links wandten und
den Hügel hinaufstiegen. Oben, wo es keine Häuser mehr gab,
nur noch Gras und Klee, blieben sie stehen. Miß Annie setzte ihren
Eimer mit Leim ab. Miß Fannie ließ die Leitern von der Schulter
gleiten und richtete sie auf, bis sie beide sicher standen.
Dann hielt sie die eine und Miß Annie die andere Leiter ganz
fest.
»Was, um Himmels willen, haben sie vor?« fragte Michael
gähnend.
Aber Jane antwortete ihm nicht, und er sah nun selber, was
geschah.
Sobald Miß Fannie und Miß Annie die Leitern so aufgestellt
hatten, daß sie mit dem einen Ende fest auf der Erde standen,
während sie mit dem anderen am Himmel zu lehnen schienen,
raffte Mistreß Corry ihre Röcke zusammen, nahm den Eimer mit
Leim in die eine Hand und ergriff mit der andern den Malerpinsel.
Dann setzte sie ihren Fuß auf die unterste Leitersprosse und begann
hinaufzusteigen. Mary Poppins, den Korb in der Hand, stieg
die zweite Leiter hinauf.
Und jetzt bekamen Jane und Michael etwas höchst Merkwürdiges
zu sehen. Sobald Mistreß Corry an der Spitze ihrer Leiter angelangt
war, tunkte sie ihren Pinsel in den Leim und schwappte
das klebrige Zeug an den Himmel. Kaum war das geschehen, da
nahm Mary Poppins etwas Leuchtendes aus ihrem Korb und
tupfte es an den Leim. Als sie ihre Hand wegzog, sahen die Kinder,
daß sie Pfefferkuchensterne an den Himmel klebte. Jeder
Stern fing gleich an zu funkeln und sandte blitzende, goldene
Strahlen aus.
»Das sind doch unsere Sterne!« sagte Michael atemlos. »Unsere
Sterne. Sie glaubte, wir schliefen, und kam herein und hat sie
geholt.«
Doch Jane blieb stumm. Sie sah zu, wie Mistreß Corry den
Leim an den Himmel schwappte, Mary Poppins die Sterne
daranklebte und Miß Fannie und Miß Annie die Leitern weiterrückten,
sobald wieder eine Lücke am Himmel ausgefüllt werden
sollte.
Schließlich war alles vorbei. Mary Poppins schüttelte ihren
Korb aus und zeigte Mistreß Corry, daß er leer war. Dann kletterten
sie die Leitern herunter, und die Prozession kam wieder
den Hügel herab: Miß Fannie die Leitern geschultert, Miß Annie
mit dem leeren Eimer rasselnd.
An der Ecke blieben sie einen Augenblick stehen und schwatzten,
dann schüttelte Mary Poppins allen die Hand und eilte wieder
nach Haus. Mistreß Corry tanzte leichtfüßig in ihren Zugstiefelchen
davon und hielt die Röcke zierlich mit den Händen gerafft.
So verschwand sie in der entgegengesetzten Richtung, und ihre
riesigen Töchter stapften geräuschvoll hinter ihr drein.
Das Gartentor klinkte. Schritte knirschten auf dem Kies. Die
Haustür öffnete und schloß sich, leise einschnappend. Jane und
Michael hörten Mary Poppins sachte die Treppe heraufkommen,
auf Zehenspitzen zum Kinderzimmer und dann hinüber ins nächste
Zimmer schleichen, wo sie mit John und Barbara schlief.
Sobald es wieder still war, sahen sich beide an. Dann gingen
sie beide wortlos zur oberen linken Schublade und schauten hinein.
Nichts war darin als ein Häufchen Taschentücher von Jane.
»Ich hab's dir gleich gesagt!« sagte Michael.
Schnell gingen sie zum Kleiderschrank und schauten in die
Schuhschachtel. Auch sie war leer.
»Aber wieso denn? Warum denn?«
Michael setzte sich auf den Rand seines Bettes und starrte Jane
verwundert an.
Jane gab keine Antwort. Die Arme um die Knie geschlungen,
setzte sie sich neben ihn und dachte und dachte. Schließlich schüt-
telte sie das Haar zurück, streckte sich und stand auf. Dann
meinte sie:
»Was ich unbedingt wissen möchte, ist: sind nun die Sterne aus
Goldpapier oder ist das Goldpapier aus Sternen gemacht?«
Es kam keine Antwort, und sie erwartete auch keine. Sie wußte,
daß nur jemand viel Gescheiterer als Michael ihr die richtige Antwort
geben könnte.
9. Kapitel
Die Geschichte von Barbara und John
Jane und Michael waren zu einer Einladung gegangen. Sie
hatten ihre besten Sachen angezogen, und das Zimmermädchen
Ellen hatte bei ihrem Anblick erklärt: die reinsten Schaufensterpuppen!
Das Haus war an diesem Nachmittag sehr still und ruhig. Unten
in der Küche las, die Brille auf der Nase, Mistreß Brill die
Zeitung. Robertson Ay saß im Garten und tat so, als täte er was.
Mistreß Banks hatte sich's im Wohnzimmer auf dem Sofa bequem
gemacht. Das ganze Haus schien in Schlaf versunken. Es träumte
wohl seine eigenen Träume oder hing vielleicht auch seinen Gedanken
nach.
Oben im Kinderzimmer trocknete Mary Poppins die Kleider
am Kaminfeuer. Das Sonnenlicht drang zum Fenster herein, flimmerte
auf den weißen Wänden und tanzte über die Bettchen, in
denen die Kleinen lagen.
»Mach, daß du weiterkommst! Du scheinst mir gerade in die
Augen«, sagte John laut.
»Tut mir leid«, erklärte das Sonnenlicht. »Ich kann's nicht
ändern. Ich muß nun einmal das Zimmer durchqueren. Befehl ist
Befehl. Ich muß in einem Tag von Osten nach Westen wandern,
und mein Weg führt durch dieses Kinderzimmer. Tut mir leid!
Mach deine Augen zu, dann merkst du nichts von mir.«
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