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Mary Poppins

Ïðåäûäóùàÿ ñòðàíèöà Ñëåäóþùàÿ ñòðàíèöà
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bis zur Verzweiflung. Für ein schönes Stück rohes Fleisch statt
der gewohnten Hühnerbrust oder des ewigen Rühreis mit Spargel
hätte er die Hälfte seines Vermögens gegeben, wenn er eines
gehabt hätte.
Dieser Andy sehnte sich im tiefsten Innern danach, ein ganz
gewöhnlicher Hund zu sein. Nie konnte er an seinem Stammbaum
vorbei (er hing in Miß Larks Salon an der Wand), ohne daß es
ihn heiß überlief. Und oft wünschte er, nie einen Vater, einen
Großvater und einen Urgroßvater gehabt zu haben, da Miß Lark
so ein Getue damit machte.
Das Verlangen, ein Hund wie alle anderen zu sein, war der
Grund, daß sich Andy stets nur ganz gewöhnliche Hunde zu
Freunden wählte. Und sooft sich die Gelegenheit bot, rannte er
zum Vordertor, saß dort und paßte sie ab, um mit ihnen wenigstens
ein paar allgemeine Redensarten tauschen zu können. Aber
wenn ihn Miß Lark dort entdeckte, rief sie sofort:
»Andy, Andy, komm herein, mein Liebling! Komm weg von
diesen schrecklichen Straßenkötern!«
Ganz klar, daß Andy hineingehen mußte. Miß Lark würde sonst
herauskommen und ihn hineintragen — welche Schande! In seiner
Verlegenheit rannte Andy die Stufen hinauf, damit seine Freunde
nicht hörten, wie Miß Lark ihn ihren »Goldschatz« nannte, ihren
»Wonnekloß«, ihr »Zuckerhäschen«.
Andys besonderer Freund war ein mehr als gewöhnlicher Köter,
der reinste Kinderschreck. Halb Airedaler und halb Vorstehhund,
hatte er von beiden Teilen die schlechtere Hälfte erwischt. Wenn
es in der Straße eine Rauferei gab, konnte man sicher sein, ihn
im dicksten Knäuel zu finden. Dauernd gab es Händel mit dem
Briefträger oder dem Schutzmann, und am liebsten schnüffelte er
in Straßenrinnen und Abfalleimern herum. Er war tatsächlich
der Schrecken der ganzen Straße, und mehr als einer war froh,
daß es nicht sein Hund war, und sagte es auch.
Aber Andy liebte ihn und schaute fast immer nach ihm aus.
Manchmal reichte es nur zu einem kurzen Beschnüffeln im Park,
aber bei günstigeren Gelegenheiten, freilich sehr selten, führten
sie ausgedehnte Unterhaltungen am Tor. Von diesem Freund
erfuhr Andy allen Stadtklatsch, und die Art, wie jener beim Erzählen
roh auflachte, verriet, daß er sich nicht gerade sehr fein
ausdrückte.
Meist ertönte dann Miß Larks Stimme aus einem Fenster. Darauf
erhob sich der fremde Hund, streckte Miß Lark die Zunge
heraus, wedelte Andy zu und trollte sich, sein Hinterteil schwenkend,
wie um zu zeigen, daß es i h m nichts ausmachte.
Natürlich war es Andy niemals erlaubt, vors Tor zu laufen,
wenn er nicht mit Miß Lark zu einem Spaziergang in den Park
ging oder mit einem der Mädchen zum Maniküren seiner Pfoten.
Stellt euch also die Ãœberraschung vor, als Andy eines Tages
ganz allein hinter Jane und Michael herjagte, die Ohren zurückgelegt
und mit hochgestelltem Schwanz, wie auf der Fährte eines
Tigers.
Mary Poppins hielt mit einem Ruck den Kinderwagen an, damit
ihn Andy auf seiner Jagd nicht mitsamt den Zwillingen umwarf.
Und Jane und Michael riefen dem Vorbeijagenden zu: »He, Andy!
Wo ist dein Mantel?« Michael versuchte, seine Stimme so hoch
und aufgeregt klingen zu lassen wie die von Miß Lark.
»Andy, du ungezogener Bengel!« Das war Jane, und da sie ein
Mädchen war, glich ihre Stimme viel eher der von Miß Lark.
Aber Andy guckte beide nur hochmütig an und bellte heftig zu
Mary Poppins hinüber.
»Waff-Waff!« machte er mehrmals hintereinander.
»Moment mal! Ich glaube, zuerst rechts und dann das zweite
Haus auf der linken Seite!« sagte Mary Poppins.
»Waff?« machte Andy.
»Nein — kein Garten. Nur ein Hinterhof. Das Tor ist gewöhnlich
offen.«
Andy bellte wieder.
»Ich bin nicht ganz sicher«, sagte Mary Poppins, »aber ich
glaube, es stimmt. Meistens kommt er um diese Zeit heim.«
Andy warf den Kopf zurück und jagte im Galopp wieder davon.
Janes und Michaels Augen waren vor lauter Staunen rund wie
ein Teller.
»Was hat er gesagt?« fragten beide zugleich, atemlos.
»Nur so >guten Tag!<« erwiderte Mary Poppins und schloß ihre
Lippen so fest, als sollte ihnen kein Wort mehr entschlüpfen. John
und Barbara in ihrem Wagen glucksten.
»So war es gar nicht!« rief Michael.
»So kann's nicht gewesen sein!« meinte Jane.
»Nun, ihr wißt es natürlich besser! Wie gewöhnlich!« sagte
Mary Poppins spöttisch.
»Ich glaub, er hat dich gefragt, wo irgendwer wohnt, er
muß . . . « , fing Michael wieder an.
»Nun, wenn du's weißt, wozu machst du dir die Mühe und
fragst?« sagte Mary Poppins von oben herab. »Ich bin doch kein
Auskunftsbüro!«
»Oh, Michael, sie wird es uns nie sagen, wenn du so redest!
Ach bitte, Mary Poppins, sag uns doch, was Andy von dir wollte!«
»Frag ihn doch! Er weiß es ja — der Herr Alleswisser!« Und
Mary Poppins wies mit dem Kopf erzürnt auf Michael.
»O nein, ich weiß es nicht. Ich schwöre dir, ich weiß es nicht,
Mary Poppins! Bitte, sag's doch!«
»Halb vier Uhr. Teezeit!« sagte Mary Poppins und schwenkte
den Kinderwagen herum. Dabei klappte sie den Mund zu wie ein
Schnappschloß. Auf dem ganzen Heimweg sprach sie kein Wort
mehr. Jane blieb mit Michael zurück.
»Das ist allein deine Schuld!« sagte sie. »Nun werden wir es
nie erfahren!«
»Meinetwegen!« Und Michael stieß seinen Roller rasch vorwärts.
»Ich will's gar nicht wissen.«
Aber in Wirklichkeit hätte er es sehr gern gewußt. Und es
zeigte sich, daß er, Jane und die anderen noch vor dem Tee alles
haargenau erfuhren.
Als sie die Straße überquerten, um zu ihrem Haus zu gelangen,
hörten sie von nebenan lautes Geschrei, und es bot sich ihnen
ein seltsamer Anblick. Die beiden Hausmädchen von Miß Lark
rannten wild im Garten umher und schauten unter die Büsche
und hinauf in die Bäume, wie Leute, die ihren kostbarsten Besitz
verloren haben. Sogar Robertson Ay von Nummer 17 vertrieb
sich eifrig damit die Zeit, mit einem Besenstiel in Miß Larks
Kieswegen herumzustochern, als hoffte er, den vermißten Schatz
unter einem Steinchen zu finden. Auch Miß Lark rannte im
Garten umher, fuchtelte mit den Armen und rief immerzu: »Andy,
Andy! Oh, er ist fort! Mein Liebling ist fort! Wir müssen die
Polizei holen. Ich will aufs Ministerium. Andy ist fort! O Gott!
O Gott!«
»Die arme Miß Lark«, rief Jane und lief über die Straße. Sie
zerfloß vor Mitleid, weil Miß Lark so verstört aussah. Aber
schließlich war es Michael, der Miß Lark etwas Trost brachte.
Als er eben zum Tor von Nummer 17 hinein wollte, blickte er die
Straße hinab, und da sah er —
»Was? Dort ist doch Andy, Miß Lark! Schauen Sie doch, dort
unten — er kommt gerade um die Ecke, bei Admiral Boom!«
»Wo, wo? Zeig es mir«, rief Miß Lark ganz außer Atem und
starrte in die von Michael bezeichnete Richtung.
Und richtig, dort war Andy. Er kam so langsam und gleichgültig
daher, als wäre überhaupt nichts geschehen. Und neben ihm

trottete ein riesiges Tier, halb Airedaler und halb Vorstehhund,
von beiden Teilen jeweils die schlechtere Hälfte.
»Oh, bin ich froh!« seufzte Miß Lark laut. »Ein Stein fällt
mir vom Herzen.«
Mary Poppins und die Kinder warteten auf der Straße vor Miß
Larks Tor, Miß Lark und ihre beiden Hausmädchen lehnten sich
über den Zaun, Robertson Ay, der sich von seiner Anstrengung
ausruhte, stützte sich auf seinen Besenstiel, und alle warteten nur
auf Andy.
Gelassen näherten sich die beiden Hunde der Gruppe. Sie wedelten
keck mit dem Schwanz und hielten die Ohren steif, und Andys
Augen verrieten, daß er nicht mit sich spaßen ließ, was er auch
immer vorhaben mochte.
»Dieser fürchterliche Hund!« rief Miß Lark und schaute auf
Andys Gefährten.
»Schsch! Schsch! Geh heim!« rief sie.
Aber der Hund legte sich nur aufs Pflaster, kratzte mit der
linken Pfote das rechte Ohr und gähnte.
»Geh weg! Geh heim! Schsch! sage ich!« rief Miß Lark und
drohte ihm voll Zorn.
»Und du, Andy, komm sofort herein«, rief sie wieder. »Einfach
fortzulaufen — ganz allein und ohne deinen Mantel! Ich bin
sehr böse auf dich.«
Andy bellte träge, aber er rührte sich nicht.
»Was fällt dir ein, Andy? Komm sofort herein!«
Andy bellte wieder.
»Er sagt, daß er nicht hereinkommen will«, mischte sich Mary
Poppins ein.
Miß Lark wandte sich um und blickte sie hochmütig an. »Woher
wollen Sie wissen, was mein Hund sagt, darf ich das fragen?
Selbstverständlich wird er hereinkommen.«
Andy schüttelte jedoch nur den Kopf und knurrte leise.
»Er will nicht«, sagte Mary Poppins. »Nicht, solange sein
Freund nicht mitkommen darf.«
»Dummes Zeug«, sagte Miß Lark barsch. »Nicht möglich, daß er
das sagt. Als ob ich solch einen großen, ungeschlachten Köter bei
mir im Garten dulden könnte.«
Andy kläffte drei- oder viermal.
»Er sagt, gerade das will er«, sagte Mary Poppins. »Mehr
noch, er will fortgehen und so lange bei seinem Freund bleiben,
bis ihm erlaubt wird, mitzukommen und hierzubleiben.«
»Oh, Andy, das kannst du nicht — wirklich, das kannst du
nicht —, nach allem, was ich für dich getan habe.« Miß Lark war
dem Weinen nahe.
Andy bellte und wandte sich ab. Der andere Hund stand auf.
»Oh, er meint es wirklich«, schrie Miß Lark. »Ich sehe, daß
er darauf besteht. Er will fortgehen.« Sie schluchzte einen Augenblick
in ihr Taschentuch, dann putzte sie sich die Nase und
sagte: »Also gut, Andy, ich gebe nach. Dieser — dieser ordinäre
Hund mag bleiben. Unter der Bedingung natürlich, daß er im
Kohlenkeller schläft.«
Erneutes Kläffen von Andy.
»Das lehnt er ab, Miß Lark. Ihr Vorschlag genügt ihm nicht.
Sein Freund muß ebenso wie er ein seidenes Kissen bekommen
und auch in Ihrem Zimmer schlafen dürfen. Sonst will er mit
seinem Freund zusammen im Kohlenkeller schlafen«, sagte Mary
Poppins.
»Andy, wie kannst du nur!« stöhnte Miß Lark. »Dazu werde
ich nie meine Zustimmung geben.«
Andy sah drein, als ob er gleich weglaufen wollte. Ebenso der
andere Hund.
»Oh, er verläßt mich!« jammerte Miß Lark. »Also gut, Andy.
Ganz wie du willst. Soll er also mit in meinem Zimmer schlafen.
Aber ich werde nie wieder ich selbst sein, nie mehr, nie mehr.
Solch ein ordinärer Hund!«
Sie wischte sich über die nassen Augen und fuhr fort:
»Das hätte ich nie von dir gedacht, Andy. Aber ich werde
nichts mehr sagen, ich behalte meine Gedanken für mich. Und
dieses — hm — Tier werde ich Stromer oder Strupp nennen
oder —«
Da blickte der andere Hund Miß Lark höchst entrüstet an, und
Andy bellte laut.
»Sie sagen, daß Sie ihn Willibald nennen sollen und nicht
anders«, sagte Mary Poppins. »Willibald sei sein Name.«
»Willibald! Was für ein Name! Das wird ja immer schöner!«
rief Miß Lark verzweifelt. »Was will er denn jetzt?« Denn Andy
bellte schon wieder.
»Er sagt, wenn er zurückkommen soll, dürfen Sie ihm nie wieder
einen Mantel anziehen oder ihn zum Friseur bringen, das ist sein
letztes Wort!«
Es entstand eine Pause.
»Einverstanden!« sagte Miß Lark schließlich. »Aber ich warne
dich, Andy, mache mich nicht verantwortlich, wenn du dich erkältest
und dir den Tod holst!«
Damit wandte sie sich um und schritt hoheitsvoll, die letzten
Tränen verschluckend, die Treppe hinauf.
Andy nickte Willibald zu, als sagte er: Auf geht's, und dann
trotteten sie Seite an Seite langsam den Gartenweg hinauf, den
Schwanz wie eine Fahne schwingend. So folgten sie Miß Lark ins
Haus.
»Siehst du, er ist gar kein Dummerjan«, sagte Jane, während
sie die Treppe zum Kinderzimmer hinaufgingen, um Tee zu trinken.
»Nein«, gab Michael zu. »Aber woher, glaubst du, wußte das
Mary Poppins?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Jane. »Aber sie wird es uns nie und
nimmer sagen. Das weiß ich ganz bestimmt.«
5. Kapitel
Die tanzende Kuh
Jane lag, den Kopf fest in Mary Poppins' großes, buntes
Taschentuch eingewickelt, mit Ohrenschmerzen im Bett.
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